Dienstag, 20. Dezember 2011

Text, Bild und Aberglaube in japanischen uke-e 有卦絵

Hier mal ein kleiner, wie ich finde ziemlich spannender Blick auf die so genannten uke-e 有卦絵, die in Japan von der Bunka-Zeit (1804-1818) bis zur Bakumatsu-Zeit (1853-1867) in Mode waren. Es handelte sich hier um Bilder, die geneigte Bürger kauften und ihr Haus damit schmückten, um das Glück sozusagen einzuladen. Für Anhänger des onmyôdô 陰陽道 (auch mal als "Weg von Yin und Yang" übersetzt) wechselten sich sieben Jahre des Glücks mit fünf weniger vielversprechenden Jahren ab. Eigentlich besagt der Brauch, sieben Gegenstände zu sammeln, die mit der Silbe fu beginnen: wie ein japanisches Wort für Glück, fuku 福. Damit sich das Glück auch nicht verirrt, stecken die diesem Brauch entsprechenden Bilder voller Symbolik und Schrift, welche jedoch über das Glücksschwein hierzulande in ihrer Komplexität hinausgehen.

Das Bild links (thumbnail)* zeigt eine recht kursive Schreibweise des Zeichens fuku 福. Besser gesagt, die Striche des Zeichens werden durch eine Anhäufung bildlicher Darstellungen erzielt. Die sieben mit fu beginnenden Gegenstände, die hierfür genützt werden, sind:

Beutel (fukuro 袋)、die Fischart Karausche (funa フナ) 、die Pflanzenart Glyzinie (fuji no hana 藤の花), ein Pinsel (fude 筆), ein Brief oder Schriftstück (fumi 文), eine Kürbisflasche (fukube 瓢), und schließlich eine Flöte (fue 笛). Das Bild lässt sich in die Kategorie der yosemono 寄せ物 einordnen, also Bilder, in denen ein darzustellender Gegenstand (oder ein Lebewesen) durch eine Anhäufung vieler kleinerer Gegenstände (oder Katzen, Menschen...) zusammengesetzt wird. In diesem Fall steht das entstandene Schriftzeichen im Vordergrund.


Ein anderes Verhältnis von Text und Bild zeigt ein weiteres Beispiel der glücksbringenden Bilder auf. Hierbei handelt es sich um die Darstellung einer so genannten fukusuke-Puppe (die Silben fuku beinhaltet der Name nicht um sonst) durch den Künstler Utagawa Yoshifuji.

Zunächst ist natürlich auffällig, dass kein Schriftzeichen, sondern eine Puppe dargestellt wird. Hierfür werden jedoch mitunter die Techniken der yosemono verwendet. So zeigen sich bei genauerem Hinsehen auch hier viele Gegenstände, die mit fu beginnen. Die Augenbrauen sind aus Pinseln (fude), während die Augen aus den berüchtigten Kugelfischen (fugu 河豚) bestehen. Als Nase jedoch wird schlichtweg das Silbenzeichen für den Laut aus dem hiragana-Zeichensatz genutzt, nämlich wie zu sehen: ふ. Ein Fall für Fortgeschrittene ist der Text, der in den Falten der Kleidung versteckt, jedoch einigermaßen gut erkennbar ist: kanowo fukusuke かのをふくすけ. Ich vermute, dass es sich um ein kleines Wortspiel handelt, bei dem der fukusuke-Puppe der Nachname Kanô gegeben wird. Eine mögliche Schreibweise für diesen ist 叶, das als Verb kanau gelesen so viel bedeutet wie 'sich erfüllen'. Neben der Technik der yosemono kommt hier noch jene der mojie 文字絵 zur Anwendung, bei der Schriftzeichen zu einem Bild zusammengesetzt werden oder in einem Bild versteckt werden (wie hier in den Falten der Kleidung).


Noch ein Wort zu Kugelfischen und Glück in Form einer gewitzten Sprachspielerei:
「世の中は澄むと濁るの違いにて、福に徳あり、河豚に毒あり」
"yo no naka wa sumu to nigoru no chigai nite, fuku ni toku ari, fugu ni doku ari"
Übersetzung: "In dieser Welt findet sich im Unterschied zwischen Klarheit und Trübung: im Glück die Tugend, im Kugelfisch das Gift" **
Das macht in der Übersetzung nun gar keinen Sinn. Entscheidend ist hier die Ebene der Silbenschrift: aus dem Wort fuku, welches in Silbenschrift als ふくzu schreiben ist, wird mittels zweier Strichlein fugu: ふぐ. Diese kleine phonetische Veränderung nennt man im Bereich der Schrift nigoru 濁る, das Zeichen wird also "getrübt", während es ohne die Strichlein gewissermaßen "klar" (sumu 澄む) ist. So wird mittels des feinen Unterschieds aus dem Glück schnell der Kugelfisch, mit fatalen Folgen, wie uns dieses Sprichwort lehrt: im einen ist die Tugend (toku とく), im anderen das Gift (doku どく).
Übrigens werden in grafisch aufgemachten Schriftzeichen diese Strichlein gerne mit Bildern ersetzt. Doch dazu vielleicht ein andern Mal mehr.

* Bilder aus Inagaki Shin'ichi (1988) Edo no asobie 江戸の遊び絵, Tôkyô Shoeski Verlag
** Beispiel aus Ono Mitsuyasu (2010) Kotoba to moji no yûenchi ことばと文字の遊園地, Shintensha Verlag; Übersetzung durch mich

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Zuletzt aktualisiert: 5. Sep, 12:45

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