Donnerstag, 9. April 2009

Polyvinylchloridanschaffungen in Worten und Zahlen

Sholi - s/t

sholi Sholi beweisen mir grade so einiges. Dass hinter tollem Artwork auch ebenso feine Musik stecken kann. Oder dass mir noch Platten unterkommen können, die mir tatsächlich nach längerer Einwirkungszeit neue Perspektiven auf das Gehörte eröffnen. Im ersten Moment scheint Sholi eine Band zu sein, die sich ein wenig um die Ecke gedachten Postpunk à la Minus the Bear schnappt, mit tingelnden Gitarrenlinien der Fugazi-Schule mischt und dazu nen wahnsinnigen Schlagzeuger addiert.

Auch wenn Minus the Bear sich mittlerweile eher in den Gefilden von Pink Floyd nicht unähnlichen Epen bewegen, würde ich Sholi die größere musikalische Vielfalt zugestehen. Und genau die hat mir dank falscher Erwartungshaltung zunächst den Boden unter den Füßen weggezogen. Vieles wirkte weniger rumpelig und energiegeladen als ich mir erhofft hatte, sondern entspannt und, im Sinne der genannten Tanzbären, auch harmonisch. Rückwärts abgespielte Explosionen, trojanische Pferde und Schafe im Wolfspelz fallen mir dazu ein. Beschwichtigende Strophen treffen jedoch schon mal auf stroboskopische Ausflipp-Refrains (Dance for Hours) und melancholische Bruchstücke from outer space (Out of Orbit). Zwischen den wirbelnden Drumsprengseln und schwelgerischem Lamentieren von Any Other God könnte man sich auch in den Honigtiopf gefallene Trail of Dead vorstellen. Dabei im Hintergrund aber immer dieser Alleinunterhalter am Schlagzeug, der sich zwar noch nicht in den abstrakten Sphären eines Jim White bewegt, aber die Mischung doch um manch ungewöhnliche bis herausfordernde Idee bereichert. Für mich als Freund kreativen Drummings eine wahre Freude!

Die große Bandbreite an Emotionen und die aus vielen Passagen zusammengeflossenen (nie -geflickten) Songs erfordern dann mehr Einarbeitungszeit, als man denkt. Und sie lohnt sich. „Nature has a tune for all you lonely fools“.

8/10

Fuck Buttons - Street Horrrsing

fuck buttons Die letztjährigen Pitchfork-Protegés hier mit einem Album zwischen kratzigem Keyboard-Noise, Drone-Epen, geloopten Ambientgebilden und einer handvoll Melodien für die Indie-crowd. Wie ein Forenmitglied mal prophezeite: Damit haben die sich zwischen die szenerelevanten Stühle gesetzt. Für normale Hörer nur Krach und für Dronefans zu pop-affin.

Moment, das hier Pop? In diesem Glauben findet man sich zeitweise, wenn im Opener Sweet Love For Planet Earth die zuckersüßen Keyboardtöne übereinander purzeln. Aber halt auch nur so lang, ehe die Drones immer lauter und länger werden und schließlich extrem verzerrtes Geschrei aus dem Babyfon die oberste Kuchenschicht bildet. Das bleibt aber insgesamt doch schön eingängig. Geht dann direkt über in ein Drumstück, welches leider wie ein schlechteres Experiment der Boredoms klingt. Der Mittelteil der Platte, also B- und C-Seite, widmen sich jeweils einem langen Track und lassen dabei erste Ermüdungserscheinungen aufkommen. Im Vergleich zu den clever an Anfang und Ende gesetzten Album-Highlights wirken die beiden mittigen Stücke rauher, krachiger, leider auch ideenarmer und dadurch langgezogen. Einzig die zweite Hälfte der C-Seite gefällt mir hier ausnehmend gut mit ihren unterschwelligen Melodien, die an Stars of the Lid gemahnen, remixt auf einem kaputten Casio. Die D-Seite wartet dann nochmal mit dem tollen Bright Tomorrow auf, das sich an einem sturen 4/4 Beat entlanghangelt zu einem plötzlich hereinplatzenden Drone-Einsatz, der an klassische Postrock-Muster erinnert. Nicht umsonst wirkte hier neben Shellacs Bob Weston auch Mogwai-Mitglied John Cummings an den Reglern mit. Zu ende wird nochmal die variablere Trommelvariante ausgegraben, aber nach Bright Tomorrow hat sich die Asche ohnehin gelegt und man ist einigermaßen fertig mit den Nerven.

Im großen und ganzen zeigen sich die beiden Herren hier als vielversprechende Impulsgeber, die allerdings manche gefundende Formel noch zu weit auswalzen. Ähnlich wie bei Growing nehme ich mal an, dass sie eine tolle Liveband sind, deren adäquate Umsetzung des gepflegten Dröhnens für das 21. Jahrhundert in Albumform noch aussteht. Vorerst hätte mir wohl eine EP, bestehend aus der A- und D-Seite von Street Horrrsing, besser gefallen. So bin ich ungeschlossen. Daher:

6,5/10

Lymbyc Systym - Love Your Abuser

lymbyc systym Ist zwar schon ein zwei Jahre altes Album, doch neben der letzten Animal Collective (oder Panda Bears modernem Klassiker Person Pitch) fiele mir gerade kein schönerer musikalischer Begleiter für den Frühling ein als dieser Tonträger. Man könnte sagen, er hat schwer zu tragen, obwohl sie es einem doch garnicht schwer machen wollen. Nach eigenen Aussagen verbrateten die Gebrüder Bell hier pro Song gerne mal 25 bis 50 Spuren. Bei so viel schimmernder Vielschichtigkeit wäre Gesang nur desillusionirend und entsprechend gibt es auch keinen.

Rest Easy/ Age Kindly weist in die warme Analoghöhle (Keyboards zuhauf, ein Schlagzeug steht auch drin) mit elektronischer Ausleuchtung, wenn gerade nicht total die Sonne reinknallt. Dem ganzen Album haftet eine Erhabenheit und feierliche Stimmung an, die ich auch in den meist als nordisch-melancholisch verorteten Album Leaf finde. Und siehe da, deren Jimmy Lavelle war hier auch mit von der Partie. Passt perfekt. Die Songs von Lymbyc Systym digitieren aber in ihrem Verlauf mehrfach und können auch polyrhythmisch und überhaupt ziemlich perkussiv teilweise, analog und auch programmiert, wenn ihnen danach ist. Ein Wald fabulöser Fabelwesen, man denkt auch an jene euphorischen (instrumentalen) Momente von Broken Social Scene, oder natürlich an die Heroen des nicht so dramatischen Postrocks, Tortoise. Wenn die Beats wirklich mal exotischer werden kommt mir auch wieder Kelpes letztjähriges Aquariumalbum in den Sinn. Und obgleich all diese Referenzen als naheliegende Eckpunkte erscheinen, liegen Plagiatsvorwürfe fern.

Man kann nur hoffen, dass sie nicht der scheinbar Genre-üblichen Krankheit verfallen, sich am Ende auf drei verschiedene Songmuster festzulegen und dort nach Perfektion zu suchen. Raffinierte, gerade genug zurechtgeschliffene Hemdsärmeligkeit ist ihr Ding.

8/10

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Zuletzt aktualisiert: 5. Sep, 12:45

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