Mittwoch, 13. August 2008

Zum anfassen, bitte

"Warum lädst du die Musik nicht einfach runter?"
Kaum ein Satz, der einen Musikliebhaber mehr entzürnen kann als dieser. Gerne gesprochen von Menschen bar wirklichen Interesses an Musik oder solchen mit einer fragwürdigen Einstellung zu Bezahlen oder Nicht-Bezahlen von urheberrechtsgeschütztem Kulturgut. Kaufen kann man Musikdownloads ja längst auch, schön. Soll mir recht sein unter der einen Voraussetzung, und um die geht es mir, um die habe ich langsam Sorgen: dass ich die Wahl habe, für mein Geld auch etwas in den Händen zu halten, statt ein paar Files auf der Festplatte zum anklicken.

Als CD-Käufer ist ja man schon fast Anachronist, Nostalgiker und vielleicht sogar ein wenig Liebhaber, Retter der Musikindustrie im kleineren Maßstab. Als LP-Käufer wahlweise Gourmet, von vorvorgestern oder HiFi-Nerd. In jedem Fall aber offenbar: Teil einer vom Aussterben bedrohten Gattung. Es mag nicht jedem naheliegen, sich für die bloße physische Präsenz von Musik überhaupt begeistern zu können. Verständlich bei einem derart alltäglich und billig gewordenen Objekt wie einer CD, oft noch mit überhöhten Preisen (seltsamerweise meist von den größten Labels) und magerer Ausstattung (Postkarte als "Booklet").

Brian Dettmer, dessen großartige 'Book Autopsies' ihr hier finden könnt, sagte es in einem Interview so wunderbar treffend, dass ich hier frech zitieren muss:
"If the content meant something to me then the object means something to me. It's part of saving our history and if it all slips out of the physical world and becomes digital we are more vulnerable, less tangible and it feels unstable. (...) We gain space, use less natural materials and it becomes more accessible but as that happens it becomes less stable, less valuable and less important." *

Der Prozess der Abwertung von Musik zu einem profanen "Produkt", das sich in der MP3 zu seiner reduziertesten, elementarsten Form entwickelte ("nur Musik", kein Artwork, keine Verpackung, weniger Vorselektion), wird dadurch nur beschleunigt, sofern er nicht längst für den Großteil der Bevölkerung beendet ist. Die Konzentration auf das Wesentliche könnte ja die Konzentration auf Musik selbst fördern. Auch stellte sich mir nach manch teurerem Kauf die Frage, ob ein Haufen Kunsstoff und Papier in der persönlichen Wertschätzung gleichberechtigt neben dem eigentlichen Objekt des Interesses, der Musik, stehen mag. Auf der anderen Seite fördert eine MP3 wohl kaum die intensivere Beschäftigung mit Musik. Bei Nichtgefallen während des ersten Hördurchganges landet sie womöglich umgehend im Papierkorb oder ist eine sichere Dateileiche, begraben unter der Datenlawine die Musik beinhalten will, letztlich aber verschwendet ist wie ein teurer Wein an einen Alkoholiker.

So gesehen bin ich doch froh, überhaupt noch die Zeiten erleben zu können in denen man Musik nicht nur auf CD, nein sogar noch auf Vinyl bekommen kann. Wer weiß wie das unseren Kindern mal geht? Ach so, "Nostalgiker" empfand ich schon immer als Kompliment.

* Brian Dettmer Interview in Lodown issue 62, S. 64 - 66
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