Früher war alles besser
Die alten Spiele sind greifbarer. Das fängt schon vor dem Spielen an: ein Modul gibt zum Anzufassen mehr her als eine CD. Um einen Level ganz zu erforschen, lotete man die Grenzen der Bewegungsfähigkeiten der Spielfigur aus und orientierte sich nach oben und unten, links und rechts. Zur schlimmsten Zeit der „Hauptsache 3D“ Ära suchte man hingegen in verschachtelten Komplexen nach Schaltern, die drei Kilometer weiter eine Tür öffneten, hinter der man einen Teil eines Artefakts finden konnte, welches einem bei Komplettierung auf physikalisch faszinierende Weise ermöglichen würde, die hohe Plattform abzusenken die man vor fünf Spielstunden mal passierte. Dazwischen zu Ihrer Unterhaltung: diverse Videosequenzen. Ich möchte die zunehmende Komplexität von Spielen nicht grundsätzlich verteufeln, da auch ich großen Spaß habe an einigen aktuelleren, episch ausgelegten Mammut-Titeln (und das beschriebene Teleskop-Task-Prinzip letztlich schon früher, in Serien wie the Legend of Zelda, entworfen wurde).
Die, verallgemeinernd gesprochen, einfacheren Abläufe älterer Spiele haben aber ihren eigenen Reiz, der sich bestimmt nicht nur auf persönlichen Erinnerungen oder „historischem“ Interesse begründet. Auch würde ich das Vergnügen einer Runde Super Mario Bros gegenüber einem Mario 64 nicht als minderwertig oder überholt bezeichnen, sondern eher als Alternative, die umso mehr an Bedeutung gewinnt, je größer der fühlbare Unterschied der Spielerlebnisse wird (bezogen auf den Fortschritt aktueller Spiele, ich meine damit nicht „back to Atari VCS!“).
Auch stilistisch scheint sich dieser Abstand zu vergrößern. Während man heute oft aus der Egoperspektive durch düstere Gänge schleicht, so hüpfte Sonic früher zu einem Ohrwurmsoundtrack durch die saftigen Gräser der Green Hill Zone unter strahlend blauem Himmel.

Dass man auch heute noch 2D-Spiele durch Innovationen und geschickte Perspektivennutzung als 3D-Alternative entwickeln kann, zeigten selbst im neuen Jahrtausend Entwickler wie die leider aufgelösten Clover Studios („Viewtiful Joe“), Nintendo („Paper Mario“, inkl. thematisierter Flachheit dank Scherenschnittoptik!) oder Treasure („Ikaruga“). Nachdem also jahrelang die Limits der 3D-Grafiken erforscht wurden und aus dem Spielerlager nur zu gern nach Innovationen geschriehen wurde, waren es paradoxerweise die „veralteten“ 2D-Titel, die diesem Wunsch gerecht wurden.
So bleibt nur zu hoffen, dass die erwartungsgemäß beschränkten Verkaufszahlen in Zukunft nicht den Sargnagel für die flache Welt bedeuten. Interessant wird sicher die Enthüllung von Street Fighter 4, das mit der 2D vs 3D Entscheidung ein Zeichen setzen wird. Hoffnung erweckt auch ein erfreulicher Retrotrend: Anders lässt sich die Beliebtheit von „New Super Mario Bros“ auf dem Nintendo DS oder das ständig erweiterte Angebot an Retro-Downloads für die aktuellen Konsolen kaum erklären.
Aber das schöne an Retro ist ja: Soll die Zukunft doch bringen was ihr beliebt, die Vergangenheit breitet immer den warmen Mantel der Nostalgie aus.
sutereo - 1. Nov, 00:39