Spiele

Sonntag, 5. Dezember 2010

Ich hab ein knallrotes Gummiseil

umihara kawase cover Spiel: Umihara Kawase (海腹川背)

Konsole: Super Famicom

Version: jap.

Erschienen: 1994

Genre: Platformer/ "rubbering action game"

Wertung: 8/10

16 Jahre ist es her, da erschien in einem fernen Land ein Spiel, programmiert von einem winzigen Entwicklerstudio namens TNN („Think about Needs of Notice for human being“...) und veröffentlicht von NHK, dem japanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Seither wurde der Super Famicom Titel zu einem echten Kultspiel, das im Jump n Run Genre nahezu einzigartig ist und Spieler zum Schwärmen und Fluchen bringt. Was aber ist so außergewöhnlich an Umihara Kawase?

Im Prinzip bleibt es den Genrewurzeln treu. Das titelgebende Mädchen ist auf unerklärte Weise in einer surrealen Welt voller an Land umherwandernder Meerestiere gelandet. Es gilt, sich diesen zu entledigen und auf dem Weg zu einem der Levelausgänge das unwegsame Terrain zu überwinden. Neben einem eher kurzen Sprung hat die Protagonistin aber noch ein besonderes Werkzeug im petto: einen Enterhaken mit Gummiseil. Damit können nicht nur Gegner betäubt und aus dem Weg geräumt werden, sondern natürlich auch mit der Umgebung in vielfältiger Weise interagiert werden. Sich an einigen Stellen hochzuziehen oder herabzulassen ist einfach und nicht unbekannt aus manch anderem Spiel, auch Lianen-Schwingaktionen kennt man bereits seit 8-Bit-Tagen, etwa aus Bionic Commando. Die Physik des Gummiseils jedoch macht hier den Spielwitz aus; sorgt je nach Stand eures Könnens für Momente der Frustration oder der Freude. Durch gezieltes Schwingen und Verlängern und Verkürzen des Seils könnt ihr euch an vormals undenkbaren Stellen entlanghangeln, ja geradezu nach vorne katapultieren. Das Leveldesign geht damit Hand in Hand und ermöglicht aberwitzige Abkürzungen, verlangt gar an manchen Stellen Aktionen, die in Sachen Schwierigkeitsgrad aus heutiger Sicht verblüffend sind. umihara kawase screenshot 1

umihara kawase screenshot 2

Es ist die Mischung aus kreativen Möglichkeiten, gnadenlosem Anspruch und dem eigenen Fortschritt im Umgang mit dem Werkzeug, der Umihara Kawase auf Ebene des Gameplays so reizvoll macht. Hinzu kommt die Spielewelt, welche grafisch auf dem Super Famicom zwar bestenfalls durchschnittlich, jedoch auch eigenartig anziehend ist. Die Level sind sehr blockig (dem Gameplay geschuldet) und bieten euch beispielsweise übergroßes Gemüse oder Schreibwaren vor einem Hintergrund, der wohl aus digitalisierten und dabei ziemlich verpixelten Fotos besteht, und harmloser Dudelmusik zur Untermalung. Die Gegnerschar mit den umherwatschelnden Fischen tut ihr übriges. Überhaupt sind fischige Gegner in Videospielen ja immer gut. Auch wenn hier erwähnt werden muss, dass ihr Auftauchen gleichzeitig mein größter Kritikpunkt am Spiel ist. Als wären die brutalen Leveldesigns nicht genug, erscheinen die Gegner ständig aus dem Nichts, teilweise gar in Gruppen und auf kleinsten Plattformen oder direkt vor euch. Ist ihr Erscheinungspunkt allzu nah an der Spielerfigur, werden sie zwar zurückgezogen (was an sich schon komisch programmiert ist), doch ergeben sich trotzdem zuweilen fiese bis unfaire Situationen. Vor allem mehreren Gegnern auf einmal seid ihr schlicht nicht gewachsen, da euer Haken immer nur den vordersten Gegner trifft und ihr ihn nur erledigen könnt, indem ihr ihn bis zu euch heranzieht. Zu allem Überfluss bedeutet jede Berührung eines Feindes den Verlust eines Lebens; kleine Gegner oder Projektile lassen euch hingegen derart über den Bildschirm taumeln, dass ihr meist im nächsten Abgrund landet.

Außerdem wäre es trotz der ohnehin kurzen Dauer des Spieles nett gewesen, wenn man irgendeine Möglichkeit hätte zu speichern oder wenigstens einen Cheat zum Level auswählen. Was euch dennoch zum immer wieder Spielen motiviert ist neben dem originellen Gameplay und immer neuen Abkürzungen die Tatsache, dass das Spiel nicht linear ist. Viele Level bieten mehrere Ausgänge, welche euch dann auch auf einen anderen Pfad des Spieles bringen. Der Abspann läuft dann anscheinend nach einem gewissen Level des jeweiligen Pfades ab. Ich sage „anscheinend“, denn auch nach mehreren Wochen Übung ist es mir noch nicht gelungen, einen Pfad zu beenden. Obwohl man eigentlich in einigen Minuten durchkommen könnte, bietet euch der Schwierigkeitsgrad hier auch auf lange Sicht Unterhaltung, zumal ihr immer noch versuchen könnt, auf Zeit zu spielen. Hier kommt auch der eingebaute Speicher ins Spiel: während Spielstände darauf nicht verewigt werden, könnt ihr mehrere Replays von besonders schnell erledigten Levels speichern und immer wieder ansehen. Auf youtube gibt’s natürlich auch die üblichen wahnwitzigen Speedruns zu bewundern.

Die Beliebtheit des Spiels hat immerhin für ein Sequel gereicht, welches unter dem Namen Umihara Kawase Shun für die PlayStation erschien. Beide Spiele wurden später als Collection für die PSP zusammengefasst, welche allerdings sehr fehlerhaft und daher nicht empfehlenswert sein soll. Jünger ist die Umsetzung für den Nintendo DS, die wie man liest gut gelungen ist. Das Originalmodul fürs Super Famicom samt Verpackung und Anleitung wird im Westen recht teuer gehandelt, da das Spiel eben Kultstatus hat, nicht außerhalb Japans erschienen ist und Preise für komplette SFC-Games eh bekloppt sind. Wer irgendwie die Möglichkeit hat, sollte es sich in Japan kaufen lassen, wo ich nach einigem Suchen für etwa 3500¥ fündig geworden bin. Das ist zwar auch nicht arg billig, aber das Spiel ist es meiner Meinung nach absolut wert, Teil einer jeden Sammlung zu werden, sofern man Spaß an Herausforderungen hat und originelle Spiele zu schätzen weiß.

Donnerstag, 9. September 2010

Günstig gut ballern auf dem Saturn? Hier Bitte!

layer section cover Spiel: Layer Section (レイヤーセクション)

Konsole: Sega Saturn

Version: jap.

Erschienen: 1995

Genre: Shoot em Up

Wertung: 9/10

Segas Saturn ist ein echtes Powerhouse im 2D-Bereich. Kein Wunder, dass vor allem im Shooter-genre bergeweise Umsetzungen von Arcadetiteln und beachtliche Eigenentwicklungen erschienen. Der Haken: nicht wenige der Toptitel kosten euch 50€ aufwärts, beim allseits bekannt-gehypten Radiant Silvergun wird es gar dreistellig. Doch ein paar Knaller verstecken sich auch in den untersten Preisregionen. Einer davon ist ganz klar Layer Section von Taito, eine Arcadeumsetzung (wo das Spiel Ray Force hieß) von 1995. Wer nicht die Möglichkeit hat, die hier vorgestellte Japanfassung abzuspielen, hat ausnahmsweise sogar die Wahl einer PAL-Version, diesmal unter dem Namen Galactic Attack. Ach so, in europäischen Arcades gab es das ganze auch noch als Gunlock. Man konnte dem Spiel scheinbar garnicht genug Namen geben.

Generell gibt es bei einem Shooter natürlich weder viel Story (obwohl die Anleitung vier Seiten davon bietet – wen's interessiert...) noch allzuviel grundlegendes Gameplay zu erklären. Layer Section ist ein Vertikalscroller, das heißt dass der originale Automat in der Spielhalle einen senkrecht aufgestellten Monitor hatte. Im Spiel habt ihr die Wahl, diesen Modus auszuwählen und euren Fernseher um 90° zu drehen (wovon zumindest bei Röhrenfernsehern abgeraten wird), oder den Saturnmodus zu wählen und mit einem entsprechend eingeschränkten Bildbereich zu leben. Das Spiel setzt euch nun mit vier Credits aus in das sieben Level lange Ballerspektakel. Klingt nach einem kurzen Spiel? Ist es auch, klar, denn welcher Shooter fesselt schon durch seinen Umfang an den Bildschirm? Es sind die vier Credits, die hier zu beachten sind. Die ist der durchschnittliche Spieler nämlich spätestens in Stage 4 los, wo der Schwierigkeitsgrad merklich anzieht. Von da an geht das alte Spielchen mit den Shootern los: mit wiederholtem Spielen kommt man immer leichter durch die ersten Level, hat an den späteren Problemstellen mehr Leben zu verprassen und lernt dabei diese Stellen auch immer besser kennen, so dass man sich schrittweise mit jedem Versuch vorarbeitet. Die Zahl der Credits hat man dabei bestimmt mit Bedacht gewählt. Für mich waren sie nach vielen Spielstunden gerade genug, um endlich den Abspann zu sehen. Eine altmodische Art des Gameplays, aber eine, die auch im Jahre 2010 wunderbar funktioniert, wenn das Spiel an sich gut gemacht ist. layer section screenshot 1

layer section screenshot 2

Und Layer Section ist sehr gut gemacht. Das Gameplay bietet im wahrsten Sinne des Wortes Tiefe: Nicht nur unmittelbar vor euch auftauchende Gegner nehmt ihr ins Visier, auch am Boden befindliche Ziele solltet ihr schnellstmöglich erledigen, wenn ihr nicht in einen noch größeren Kugelhagel geraten wollt. Dazu habt ihr vor dem Schiff ein kleines Zielkreuz, das jeden Gegner bei Berührung als Ziel aufschaltet. Auf Knopfdruck lasst ihr dann auf die aufgeschalteten Ziele euren Laser los. Viele Gegner nähern sich auch erst aus dem Hintergrund um euch dann im Vordergrund zu nerven. Frühzeitiges Erledigen per Laser und ständiges Beachten zweier 'layer' sind damit neben schnellen Reflexen und Levelkenntniss der Schlüssel zum Sieg. Wer zudem auf eine hohe Punktezahl schielt, sollte stets möglichst viele Feinde aufschalten, ehe er den Laser freigibt. Die Einbindung von Tiefgang, ohne auf aufgesetzte Scoremechanismen zurückzugreifen, ist hier hervorragend gelungen.

layer section screenshot 3 Während es an sämtlichen alternativen Spielmodi oder ähnlichem mal komplett fehlt, hat Taito zumindest einen Zweispielermodus mit eingebaut. Grafisch wird euch reinste, detaillierte 2D-Grafik geboten, die mir persönlich sehr gut gefällt. Eine sehr feine Idee ist auch, dass die Level alle zusammenhängen. Statt wie oft das Gefühl zu haben, irgendwo irgendwelche Dinge abzuschießen, präsentiert sich Taitos Shooter als eine durchgehende Reise, in der ihr vom Weltall aus bis ins Zentrum einer Stadt vordringt. Bei einem Game Over zeigt eine Grafik, wie weit ihr es geschafft habt. Ein kleines Detail, aber es trägt doch zur Stimmung bei. Musikalisch hat Taitos bekanntes Studio Zuntata wieder einen leicht umstrittenen Beitrag geleistet. Sicher kein Jahrhundert-Soundtrack, aber eine gute Mischung atmosphärischer und antreibender Klänge passend zum Spielgeschehen.

Auch wenn die Ausstattung – ein maximal minimalistischer Arcadeport ohne jegliche Extras – nicht gerade berauschend ist, machen die dichte Atmosphäre, der fordernde Schwierigkeitsgrad (den ihr auch erhöhen könnt) und ein tiefes wie intuitives Gameplay Layer Section zu einem Muss für jeden Freund altmodischer 2D-Ballereien.

Montag, 23. August 2010

Ja, mir san mim Radl da

road rash 2 cover Spiel: Road Rash 2

Konsole: Sega Mega Drive

Version: jap.

Erschienen: 1992

Genre: Rennspiel

Wertung: 8/10


Obwohl ich doch der Meinung bin, dass der Übergang der Spielewelt ins Dreidimensionale vor allem dem Rennspiel-Genre geholfen hat, suche ich hin und wieder bewusst den Charme eigentlich zweidimensionaler, aber Dreidimensionalität vorgaukelnder 16 Bit Racer. Auf dem Mega Drive habe ich eine Liebe zu Yu Suzukis Überklassiker Out Run entwickelt, doch im Sinne der Abwechslung wanderte ganz schnell ein Road Rash 2 über die Ladentheke von Akihabaras Mandarake-Laden, als ich den günstigen Preis erspähte. 1992 von Electronic Arts veröffentlicht, markiert das Spiel den mittleren und beliebtesten Teil der Trilogie auf dem Mega Drive. Später folgte ein dreidimensionaler Ausflug auf dem 3DO, Saturn und PlayStation, sowie eine seltsam anmutende N64-Episode. Danach verschwand die Serie von der Bildfläche, was vielleicht auch ganz gut so ist, wenn man EAs Sequelwut bedenkt, die mittlerweile z.B. geschätzte drölftausend Need for Speed Episoden zeitigte.

Bei Road Rash geht’s um illegale Motorradrennen auf natürlich öffentlichen Straßen, auf denen ihr mit harten Bandagen versucht, euch gegen 14 Konkurrenten durchzusetzen und die Preisgelder der vorderen Plätze zu kassieren. Mit der Kohle kauft ihr euch neue fahrbare Untersätze, die ihr mit jedem Levelaufstieg bitter benötigen werdet. Habt ihr euch nämlich auf den fünf Strecken qualifiziert, geht es ein Level höher mit längeren Versionen der Strecken, fieseren Gegnern und Polizisten, mehr Verkehr und Hindernissen auf der Strecke und so weiter. Allgemein sind Amerikas Straßen hier in einem Besorgnis erregenden Zustand. Absperrungen, Gerümpel und festgenageltes (vor Angst erstarrtes?) Wild säumen die Strecken. Zum Glück ist die Steuerung sehr direkt und macht schnelle Ausweichmanöver möglich, wenngleich nicht einfach. Zum einen werfen euch allzu ruppige Lenkversuche bei hohen Geschwindigkeiten flugs vom Gefährt, zum anderen wollt ihr auch nicht mit den anderen Fahrern zusammenstoßen, da ihr fast immer den Kürzeren zieht. road rash 2 screenshot 1

road rash 2 screenshot 2

Eine Besonderheit der Strecken ist auch das vertikale Element, das auch in Out Run nicht derart stark integriert war. Andauernd geht es auf und ab; ihr springt über Kuppen und hofft, nicht im Gegenverkehr zu landen. Während das den dreidimensionalen Effekt merkbar verstärkt, leidet die Sicht extrem. Hinter Kuppen plötzlich auftauchende Hindernisse (vor allem Gegenverkehr) sind an der Tagesordnung und geben euch vor allem auf den späteren, schnelleren Levels praktisch keine Reaktionszeit. So spielt das Glück leider im späteren Spielverlauf keine geringe Rolle. Auch die Gegner können gewaltig nerven. Im Vergleich zum Erstling neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, nicht mehr nur Fausthiebe und Tritte zu verteilen, sondern den Gegnern auch mit Schlagstock oder einer sehr wirksamen Kette zuzusetzen, sobald ihr sie einem der Gegner abgeluchst habt. So ist es sogar möglich die Gegner komplett vom Gefährt zu holen (oder sie euch). Nicht jeder rückt euch aber so sehr auf den Pelz. Alle Gegner haben Namen und stehen unterschiedlich zu euch, was dem Spiel Tiefe und Persönlichkeit gibt. Je nach Situation liegen dann auch Schadenfreude und Frusterlebnisse nah beieinander. Für wahnwitzige Situationen ist allemal gesorgt. Mein persönliches Highlight war, kurz vor Ende eines Rennens mit mehreren Nitroschüben vom fünften auf den ersten Platz zu schießen, meine Maschine an einem Hindernis zu zerstören und dabei aber selbst nach dem Aufprall bis ins Ziel zu fliegen, was selbstredend auch noch gewertet wurde. Wer liebt solche Momente nicht?

Die fünf Level addieren sich zu 25 Rennen, die ihr meistern müsst um den Abspann zu sehen. Klingt nach wenig, doch sind meistens (und vor allem im letzten Level) wirklich viele Versuche nötig bis ihr es ganz nach vorne schafft. Zerstörte Maschinen oder Strafzettel zehren an eurem Konto, das bei 0 angekommen ein Game Over einläutet. Besser also nach jedem gewonnenen Rennen das Passwort notiert und schon kann stressfrei immer und immer wieder probiert werden. Da auch nicht qualifizierte aber halbwegs gute Platzierungen Kohle einbringen, habt ihr zumindest nicht das Gefühl komplett stillzustehen. Erst ganz am Ende kann doch Frust aufkommen.
An mehrere Modi für zwei Spieler per Splitscreen hat EA auch gedacht. Auf diese hatte ich mich besonders gefreut, musste aber leider feststellen, dass die ohnehin nicht immer tolle Bildrate hier noch mehr leidet und schon fast zur Diashow wird. Wirklich schade! Immerhin lässt sich auch abwechselnd spielen. Das Spiel gestaltet sich grafisch sonst zudem ein wenig pixelig, doch die hohe Geschwindigkeit lässt dies auf dieser Hardware verschmerzen. Ziemlich cool finde ich die Musik mit ihrer Nutzung von Bass und Schlagzeug. Der Song auf dem Titelscreen klingt fast nach Joy Division. Kein absolutes Highlight in der Mega Drive Bibliothek, aber schon unter den besseren Soundtracks.

Zusammenfassend ist Road Rash 2 ein hervorragender Racer, der seinen Mangel an Fairness durch Adrenalinschübe wieder wett macht, lange an die Konsole fesseln kann und somit in jede gut sortierte Mega Drive Sammlung gehört.

Dienstag, 26. Januar 2010

Mother 3: Itois RPG-Kunstwerk

mother 3 cover Spiel: Mother 3

Konsole: Gameboy Advance

Version: jap.

Erschienen: 2006

Genre: Rollenspiel

Wertung: 9/10


Seit ich vor einigen Jahren recht spät mein erstes Rollenspiel (ausgerechnet Final Fantasy VIII) verschlungen habe, hat das Genre einen festen Platz in meiner Sammlung und meinen Spielgewohnheiten. Ein Rollenspiel ist für mich gemütliche Abwechslung zu hektischen Actiontiteln. Hat man ein bis zwei RPGs gespielt, sind die Grundmechaniken und ungeschriebenen Gesetze des Genres verinnerlicht. Dazu noch die paar Feinheiten des aktuell im Modul- oder CD-Schacht sitzenden Spieles erlernt und schon findet man sich einer im Grunde repetitiven Schleife der selben Tätigkeiten wieder: reden, einkaufen, Dungeons erforschen, kämpfen und Storysequenzen gucken. Es liegt dann an der Ausführung des entsprechenden Titels, ob man bereit ist, die üblichen 30 bis über 100 Stunden seines Lebens dafür zu opfern. Sympathische Charaktere, eine Geschichte voller Plot-Twists oder philosophischen Auswucherungen, eine motivierende Spielmechanik mit vielen Geheimnissen und taktischen Kämpfen... solche Attribute helfen dabei, auch den zwanzigsten Anlauf zur Rettung der Welt noch unterhaltsam zu gestalten. Mother 3 schlüpft in das Genrekostüm, allerdings nicht ohne es vorher nach eigenen Vorlieben umzunähen. Der Schneider hört auf den Namen Shigesato Itoi und hat nun einen neuen Fan.

Mother 3 ist kein episches Schlachtengemälde, kein an Komplexität überbordendes Werk. Es wird mit seinem Vorgänger gerne als das Spiel zitiert, das am nähesten zu Literatur steht. Das könnte auch an Itois literarischem Background liegen, der übrigens vor allem als Journalist bekannt ist, befreundet ist mit Haruki Murakami und mit diesem bereits eine Textsammlung geschrieben hat. Und so ist die Narrative die treibende und strukturgebende Kraft in diesem Spiel. Das fängt schon damit an, dass das Spiel in acht Kapitel unterteilt ist, wobei man zu Beginn in jedem Kapitel einen anderen Charakter spielt. Es gibt erstmal keinen klassischen Hauptcharakter, um den sich innerhalb von fünf Stunden die Gruppe formiert und alsdann die Welt retten geht. Die Charaktere treffen und trennen sich wiederholt, und zum Kreis der mit eigenem Kapitel bedachten Personen gehört auch schonmal ein Affe. Erst spät im Spiel bildet sich eine Art klassische Rollenspiel-Story heraus, die eure Gruppe zusammenwachsen und gegen das Böse antreten lässt. Das allgemeine Motiv des Spieles ist das Eindringen von Technik in eine vorher nahezu unberührte Umgebung und wie diese Technik aus Machtgründen missbraucht wird. Dies reflektiert sich auch in dem halb aus Metall, halb aus Holz bestehenden Logo des Spiels. Ein leicht cyberpunkiges Thema eigentlich, hier allerdings in einer Welt zwischen nostalgischer Dorfromantik, Gegenwarts-Referenzen, leichten Fantasy-Elementen und einer Prise guter alter Japan-weirdness, wenn etwa die Wächter bedeutungsvoller Artefakte scheinbar Transvestiten sind.

Zwei der Charaktere sind die Kinder Luca und Claus, deren Mutter Hinawa schon früh im Spiel stirbt. Luca ist davon traumatisiert und im Spiel gibt es immer wieder Flashbacks in seine vorherige Kindheit oder eine Traumsequenz, die ganz ohne Worte oder plakative Darstellungen auskommen und wohl deshalb so wirksam sind. Für den größeren Teil der Zeit ist Mother 3 hingegen eher lustig, seltsam, bis hin zu albern. Das Spiel ist vollgestopft mit kleinen Gags, amüsanten Dialogen und Überraschungen. Öffnet man in anderen Rollenspielen eine Schatztruhe, findet man entweder etwas Wertvolles oder ein Monster. In Mother 3 kann es auch schonmal passieren, dass ein Feuerwerk losgeht, eine Samba-Melodie spielt oder man von einem Geist, der in der Truhe sein Dasein fristete, frech angerülpst wird. Die Mischung aus der grundlegend eher leichten Stimmung, akzentuiert durch einige dramatische Ereignisse, trägt das Geschick der Charaktere jedenfalls näher ans Spielerherz. Eben weder ein albernes Spiel (wie die Mario-Rollenspiele), noch eines der vielen allzu Humorlosen. mother 3 screenshot 1

mother 3 screenshot 2

Alles in Mother 3 scheint darauf ausgerichtet, den Spieler zu unterhalten. Dazu gehört auch, dass es schön stetig voran gehen soll. Ist die eigene Gruppe im Kampf dahingeschieden, kann man auf Wunsch direkt weiterspielen ab dem letzten Speicherpunkt: mit allen Items und Erfahrungspunkten, die man auch nach dem letzten Speichern bis eben zum Ableben gesammelt hatte. Man verliert die Hälfte des Geldes, doch fungieren die lobenswert zahlreichen Speicher-Frösche auch als Bankautomat, dem man seine wertvollen Münzen sicherheitshalber anvertrauen kann. Frust ade! A propos Geld: das gibt es zu Beginn des Spieles noch nicht einmal. Eine Währung wird erst im späteren Spielverlauf eingeführt, bleibt aber ein dezentes Element im Hintergrund. Viele Mechanismen des Genres sind hier eher in ihrer reduzierten Variante vertreten: keine Möglichkeiten, die Charakterentwicklung anzupassen. Kaum Sidequests. Kein Waffenschmieden, Alchemie oder ausgiebige Schatzsuche. Mother 3 ist zwar zweifelsohne ein Rollenspiel, nimmt sich aber nur die nötigsten Zutaten, um vor allem eine Geschichte zu erzählen. Es hält einen nicht in immer gleichen Kreisläufen fest, wirft Ballast über Bord.

Besonders sind auch die Kämpfe geworden, sobald man einen der auf der Oberwelt sichtbaren Gegner trifft. Im Grunde ein normales rundenbasiertes Kampfsystem, so bleibt doch die Eigenart, dass jeder normale Angriff auf eine Combo mit bis zu 16 Schlägen ausgeweitet werden kann. Zu diesem Zweck drückt man eine Taste im Takt der Musikuntermalung. Wo andere Genrevertreter ein oder zwei Musikthemen für die Kämpfe besitzen, gibt es dem Spielsystem geschuldet hier ein ganzes Sammelsurium verschiedenster Stilrichtungen. Und die Musik stellt euch Fallen: Rhythmuswechsel oder Aussetzen des Schlagzeugs, ja bis zu fiesen Breakbeats denen man kaum folgen kann reichen die Gemeinheiten. Man muss dieses Feature nichtmal nutzen und kann das Spiel (mit etwas mehr Mühe) auch ohne musikalische Spielereien zu Ende bringen. Aber das wäre doch viel langweiliger! Ein anderes originelles Feature ist die HP-Anzeige. Nimmt man Schaden, so wird der Betrag nicht mit einem mal abgezogen, sondern eure Lebenspunkte laufen nach dem Treffer konstant und zügig ab. Wer schnell genug handelt, kann in dieser Zeit auch einen eigentlich tödlichen Treffer durch einen Heilzauber ausgleichen, oder auch versuchen, den Kampf vor Ablauf der HP zu beenden. Eine motivierende Idee und manchmal eine schweißtreibende Angelegenheit!

Musik ist übrigens allgemein ein großes Thema hier und anscheinend eine weitere Leidenschaft von Itoi. Man möchte glauben, die Hälfte des Speicherplatzes auf dem Modul hätte man mit der hervorragend komponierten Musik verbraucht. Auch beim Sounddesign hat man sich Gedanken gemacht, so dass man beispielsweise bestimmte Melodien aus der Ferne bereits leise hören kann. Würde ich hier eine gesonderte Wertung für den Sound vergeben, wäre Mother 3 schlicht das einzige mir bekannte Handheld-Spiel mit der Höchstnote.
Auf grafischer Ebene gesellen sich dazu eine äußerst liebevoll gezeichnete 2D-Optik mit westlich geprägtem Characterdesign, was das ganze manchmal wirken lässt wie ein animiertes Pixelart-Gemälde. Fast hätte ich Lust, mir noch einen GBA-Player für den Gamecube zuzulegen, um Mother 3 mal auf einem großen Bildschirm zu erleben. Spartanisch sind hier die Kämpfe geraten, in denen man wie beim Klassiker Dragon Quest nur die Monster vor einem sieht, die hier zudem nicht animiert sind, sondern starr vor einem psychedelisch animierten Hintergrund stehen. Ich persönlich kann in diesem Fall gut damit leben, da ich meist genug damit beschäftigt bin, dem Rhythmus zu folgen.

Heute habe ich das halb offene Ende des Spieles erreicht. Ich spiele praktisch nie ein Rollenspiel zwei mal durch und ob es bei Mother 3 so weit kommen wird, kann ich noch nicht sagen. Aber wenn, so läge die Motivation ganz sicher darin, sich ein weiteres mal an all den Einfällen und der Story mit all ihren Höhen und Tiefen zu ergötzen. Man kann wirklich nur den Kopf schütteln über Nintendos (wirtschaftlich gesehen nachvollziehbare, aber interessiert uns das?) Entscheidung, den Titel nicht außerhalb Japans zu veröffentlichen. Es gibt eine äußerst engagierte Fan-Übersetzung, bei der Nintendo sich blind stellt. Wohl weil es dem Firmen-Image nicht gut täte, die Löschung einer Übersetzung zu fordern von einem Spiel, das man selbst trotz einer nicht zu kleinen Petition dem westlichen Publikum vorenthalten hat.
Die Liebe der Fans spiegelt sich noch deutlicher wider in dem dicken Komplettlösungsbuch, welches ich selbst zwar nicht besitze, aber das schon verdammt eindrucksvoll aussieht für ein Fanprojekt. Wenn man Mother 3 noch nicht gespielt hat, kann man sich anhand dessen wohl ausmalen, dass auch das Spiel etwas heute in dieser Branche Rares ist: a labour of love. Ich persönlich habe schon lange nicht mehr, nein, vermutlich noch nie ein so erfrischendes RPG gespielt.
Das Spiel macht übrigens anscheinend einige Anspielungen auf seine Vorgänger, ist aber auch ohne deren Kenntnis als abgeschlossenes Werk zu genießen. Allerdings könnte es euch wie mir gehen und man ist nachher verdammt neugierig auf die Vorgänger, vor allem Teil 2. Und dann gibt es die auch noch als Compilation auf dem GBA...

Importfreundlichkeit: Der Löwenanteil des Texts ist durchgehend in Kana geschrieben, was ich persönlich eigentlich schwieriger finde, als mit Kanji. Andererseits ist es aber besser zum Nachschlagen. Gänzlich ohne Kenntnisse sieht's wieder mal schlecht aus, da würde man auch einfach zu viel Gutes verpassen , da das Spiel zum Großteil über Text funktioniert. Aber wie gesagt, wer auch per Emulator spielt, hat die Wahl der Übersetzung.
Verfügbarkeit: Hatte keine allzu hohe Auflage, sollte aber zu beschaffen sein. In Japan kostet es gebraucht, komplett etwa 3000 Yen (ca. 23€).

Starmen: größte englische Fansite zur Serie

Samstag, 16. Mai 2009

Urlaub vorm Bildschirm

nanatsushima Spiel: Nanatsu Kaze No Shima Monogatari (七つ風の島物語)

Konsole: Sega Saturn

Version: jap.

Erschienen: 1997

Genre: Adventure

Wertung: 8/10

Ich komm ja immer mehr auf den Trip, mir Spiele auszusuchen die mir stimmungsmäßig was bieten und detaillierte 2D-Grafiken haben bei mir sowieso nen Stein im Brett. Kein Wunder, dass dieses feine Adventure den Weg in meine Sammlung finden musste! In Zusammenarbeit mehrerer Entwicklerstudios entworfen und von Enix veröffentlicht, finden wir hier einen weiteren nur in Japan erschienenen Saturn-Klassiker.

Am Anfang war das Ei. Ihr seid live dabei, wenn der Hauptcharakter Garp, eine leicht tollpatschig aussehende Mischung aus Mensch und Drache, das Licht der Welt erblickt und seltsamerweise sofort sprechen, laufen und sowieso alles kann. Oder schläft er in einem Ei? Nun ja, ein schwarzes Wesen fegt euch von der hohen Plattform und Garp pflanzt sich erstmal ein Baumhaus, in dem ihr fortan haust, speichert und ins schlaue Buch guckt. Jenes Buch bietet neben einem tatsächlich ins Spiel integrierten Lexikon auch eine Niederschrift eurer Geschichten, so dass ihr nach längerer Spielpause wieder hineinfindet und nach zusätzlichen Tipps suchen könnt. Ausgehend von hier erkundet ihr die Insel der sieben Winde.

Meist erscheint zu Beginn des Kapitels ein neuer Charakter oder Gegenstand, der euch vor neue Aufgaben stellt. Obwohl eure Aktionen begrenzt sind, kann man an manchen Stellen durchaus eine Weile grübeln. Garp selbst kann außer urtypischen Handlungen wie herumlaufen, springen, sprechen und im Inventar wühlen immerhin auch Werkzeuge nutzen, um Insekten zu fangen oder eine Runde angeln zu gehen. Zu weiteren Werkzeugen gehört später eine Windflöte, mit der ihr nach und nach die sieben verschiedenen Winde erlernt und anwenden dürft. Der lilane Wind zeigt beispielsweise vormals Verborgenes auf, mit dem grünen durchwuschelt ihr die Botanik und so weiter. Außerdem habt ihr noch drei verschiedene Helferlein, die euch durch die Luft tragen und Bäume oder Felsen aus dem Weg räumen. Auf diese Weise lernt ihr immer mehr von der Insel kennen. kisuke

Die Spielewelt ganz kennenzulernen ist für mich in jedem gut designten Spiel einer der größten Reize, und hier wird dies wahrlich zu einem Genuss. Wunderschöne und teil-animierte Hintergründe, die der in anderen Titeln oft vorherrschenden Sterilität ein pralles Leinwand-Leben entgegenstellen, ergänzen sich mit gleichzeitig seltsamen und eigenartig schönen Charakteren. Die Grundstimmung wird oft mit Ghibli-Filmen verglichen und tatsächlich kommt der mysthische Wind, die immer präsente Anderweltigkeit diesem Vorbild recht nah. Da jeder Bildschirm kurz einzeln geladen wird und man erst bei circa zwei Dritteln der Spielzeit eine Art Teleport-Möglichkeit bekommt, ist man in gemächlicher Spielweise geradezu gezwungen, das Spiel wie eine Gallerie von Kunstwerken zu durchwandern. Es liegt sogar eine zweite CD bei, auf der sich jede Menge concept art befindet und die den hohen visuellen Qualitätsanspruch unterstreicht. Umso minimalistischer verhält es sich mit dem akustischen Bereich, in dem oft nur einige Soundeffekte und Variationen des Hauptthemas die Stille durchbrechen. Die überdeutlich hörbaren Schritte stören dabei etwas.

Als Adventure, das oft verlangt ambivalente Aussagen beziehungsweise Tipps der Inselbewohner zu deuten und die richtigen Items zu präsentieren, ist der Titel leider denkbar ungeeignet für Spieler ohne Kenntnisse der japanischen Sprache. Auch ich fand ich mich öfter eine halbe Stunde umherirrend vor, da ich einen Satz nicht genau genug gelesen hatte. Immerhin ersetzt das Spiel viele Kanji durch eine Katakana-Umschrift, so dass man mit Grundkenntnissen, Geduld und Wörterbuch bewaffnet sicher durchkommt. Oder es schreibt mal jemand einen Walkthrough, wobei schlicht einem Faden zu folgen natürlich den Reiz des Genres nimmt. Obwohl ich einige Male durch etwas verdrehte Logik oder unerwartete Genauigkeitsansprüche ziellos umherirrte, fand ich das Spielerlebnis insgesamt erfrischend und lohnend. Ein wenig wie diese alten Grafikadventures, die Urlaub vorm Bildschirm versprachen aber selten dabei so viel Atmosphäre transportieren. nanatsu2

nanatsu3

Als Ergänzung zu den eher humor-orientierten westlichen Adventures auf dem Saturn wie Discworld oder Blazing Dragons (noch ein Drache als Hauptfigur) hätte sich Nanatsu Kaze sicher gut gemacht im Westen, so bleibt es mal wieder ein Fall für Schatzgräber. Ein Geheimtipp ist es allerdings nicht mehr, so dass man hier mit etwas höheren Preisen rechnen muss als sonst bei textintensiven japanischen Spielen üblich.

Freitag, 13. Februar 2009

Tagträumen auf der Dreamcast

nappletale Spiel: Napple Tale – Arsia in Daydream (ナップルテール)

Konsole: Sega Dreamcast

Version: jap.

Erschienen: 2000

Genre: Jump n Run, RPG

Wertung: 8/10


Wahrscheinlich liegt es an dem äußerst großzügigen Review des amerikanischen Gamesite-Giganten „ign“, dass Napple Tale im Kreis der Dreamcast-Importe zu den begehrteren Stücken gehört. Oft taucht lange Zeit kein Exemplar auf und wenn, dann löhnt man in der Regel zwischen 40 und 60€ für ein komplettes Gebrauchtes. Steckt dahinter reine Sammlerfreude oder tatsächlich ein lohnender Spaßbringer?

Sega gibt das Spiel als Action-Rollenspiel aus, was allerdings etwas irreführend ist. Besser beschreibt man Napple Tale als 2,5D Jump n Run á la 'Pandemonium' oder 'Klonoa' mit seichten Rollenspiel-Elementen. Als Mädchen namens Arsia landet ihr in der Napple World, die zwischen der Welt des Lebens, der des Todes und der des Traumes liegt. Um zurückkehren zu können, müsst ihr sogenannte Petals, Fragmente Arsias Wesens (frei interpretiert) finden und nebenbei die Jahreszeiten in das originell betitelte Dorf Napple Town zurückbringen. Zu diesem Zwecke betretet ihr vom Dorf aus diverse Platformer-Level, in denen ihr strohdumme Feinde vermöbelt, diverse Abzweigungen nach Schätzen durchforstet und euch schließlich einem einfachen Bossgegner stellt. Die Level sind sehr ordentlich designt und bergen trotz der relativ engen Pfade viele Geheimnisse und nette Einfälle, so dass das etwas gemächige Gameplay und der kinderfreundliche Schwierigkeitsgrad nicht weiter stören. napplegirl

Zum Reiz trägt auch stark die Atmosphäre bei, an der nicht zuletzt der enorm vielseitige Soundtrack der bekannten Komponistin Yoko Kanno beteiligt ist. So saugt einen das Spiel binnen Minuten in eine andere Welt und das leichtfüßige Gameplay wird zum schlichten Genuss. Wie erwähnt gibt es aber auch einen Rollenspiel-Anteil. Die diversen Items, die ihr in den Leveln ergattert, könnt ihr in einem Minigame in „MIS“ genannte Bestandteile zerlegen. Aus diesen MIS wiederum lassen sich „Paffets“, Pokemon-ähnliche Helferlein erstellen, die euch auf der Reise begleiten, im Kampf helfen oder auch nötig sind, um gewisse Stellen zu erreichen. Letztlich musste ich leider feststellen, dass der größte Teil dieser Kreaturen aber eher nutzlos ist und nur zum niedlich Aussehen taugt (auch gut). Des Weiteren lassen sich mit MIS Apparate herstellen, die ihr oft braucht um gewisse Aufgaben zu erfüllen, welche ihr von Dorfbewohnern aufgedrückt bekommt. Die Dorfbewohner trefft ihr teils auch in den Jahreszeiten-bezogenen Leveln in ihrer Jahreszeiten-Facon; wie etwa den Frosch-Bürgermeister im Winter, dem ihr beim Gelingen seines Winterschlafes helfen müsst. Übrigens mittels Eiscreme...

Sogar ganze Level lassen sich mitunter nur durch Interaktion mit den Bewohnern betreten. Für Japanisch-Unkundige bedeutet das an einigen Stellen entweder jede Menge Herumprobieren, oder mal wieder die Nutzung einer Komplettlösung. Mit fortgeschrittenen Kenntnissen ist es aber locker spielbar. Teils nervten mich sogar manche Dialoge durch ihre Länge und Belanglosigkeit ein wenig.

napplescreen Neben allerlei erstellbaren Wesen könnt ihr mit eingesammeltem Geld auch jede Menge kleine Goodies freispielen, und zwar Musikstücke und Karten. Die letzteren fand ich jetzt außer den Karten mit Artworks nicht besonders freispielenswert oder motivierend. So hängt die Spielzeit dann auch stark von der eigenen Motivation ab, denn die Story habt ihr nach etwa 15 Stunden durch. Wer jede einzelne Schatzkiste öffnen will und Karten sammelt, kommt wohl auf ca. 20 Stunden.

Die fast neun Jahre seit Release sind an dem Spiel nicht spurlos vorübergegangen, schon damals war es wohl kein grafisches Feuerwerk. Dank besagter Grundstimmung fällt das aber weniger stark ins Gewicht und immerhin läuft das Spiel sehr solide bis auf wenige Slowdowns. Gewünscht hätte ich mir etwas mehr Sprachausgabe und auch die Standbildvariante von Vor- und Abspann ist gewöhnungsbedürftig. Jedoch vermute ich kein riesiges Budget hinter dem Titel. Wer nicht mehr als einfach schönes Platforming erwartet und mit ein paar Blicken in die Lösung leben kann, sollte also durchaus nach diesem nicht mehr ganz so geheimen Tipp Ausschau halten und sich von der Napple World verzaubern lassen.

Freitag, 18. Juli 2008

hölle zugefroren?

Nach knapp zwei Monaten Gesamtaufwand ist mein Paddle-Controller, den ich mir extra für Space Invaders Extreme geordert hatte, endlich in funktionstüchtigem Zustand bei mir angekommen. Die Geschichte hat alles zu bieten was man sich in Sachen Interneteinkäufen so erträumen kann: Lieferengpässe, nicht aktualisierte Websites, einen defekten Artikel und schließlich Mitarbeiter, die einen erst mehrfach abwimmeln ehe sie sich zu einem Umtausch bereit erklären. Aber er ist da! Und mit ihm die Gelegenheit, eine der größten Überraschungen auf dem DS überhaupt vorzustellen.

spaceinvaders Spiel: Space Invaders Extreme (スペースインベーダーエクストリーム)

Konsole: Nintendo DS

Version: jap.

Erschienen: 2008

Genre: 2D Shooter/ Puzzle/ Music

Wertung: 9/10

Hätte ich nämlich nur den Namen dieses Spieles auf einer Releaseliste gesehen, so wäre außer einem gepflegten Gähnen nichts weiter drin gewesen. Space Invaders mag seinerzeit ein Meilenstein gewesen sein, doch die gesammelten Remakes der letzten Jahre waren nicht mehr als Aufgüsse für Historiker und unverbesserliche Nostalgiker, die bereits lange genug leben um das Original schätzen zu können. Wer hätte da ahnen können, dass Taito nun zum dreißigsten (!) Jubiläum der Marke ein zeitgemäßes, ja sogar begeisterndes Update gebacken kriegen?

Dabei hat man nur zwei Dinge beim alten gelassen. Zum einen das generelle Design mit seinen längst durch Pixel-, Street- und sonstwas-Art zu Kult avancierten Gegnern. Zum anderen das Grundgerüst des Gameplays. Nach wie vor bewegt der Spieler sein Schiff wie auf einer Schiene nur nach links oder rechts am unteren Bildschirmrand, während die extraterrestrischen Besucher von oben heranwabbeln. Doch was früher gemächlich von statten ging, ist heute schnell, hypnotisch und tiefgehender als man denken könnte. Die Aliens kommen in ständig wechselnden Formationen, stürzen sich schonmal in die Tiefe und fordern allein schon ob ihrer Gestalt die Kombinationsgabe des Spielers. Das Score- und Extrasystem stützt sich nämlich auf Form, Farbe oder auch Gruppierung der Gegner und belohnt beispielsweise die Vernichtung vier gleichfarbiger Invader mit einer entsprechenden Waffe. Auch diese hat wiederum eine bestimmte Eigenschaft, die je nach Situation mehr oder weniger hilfreich sein kann. Es gilt also nicht nur zielgenau zu schießen, sondern gleichzeitig richtig zu planen. Somit ist eine gewisse Puzzlenote nicht von der Hand zu weisen. space01

Als wäre das nicht genug Input für die Reize des Spielers, hat man sich offensichtlich auch von Tetsuya Mizuguchis modernem Klassiker 'Rez' inspirieren lassen; einer einmaligen Mischung aus Railshooter, Musikspiel und Drogentrip, die stets ganz vorne steht in der 'Videospiele als Kunstform'-Diskussion. Nicht nur dass in Space Invaders Extreme ständig psychedelische Hintergrundvideos eine ähnliche Stimmung erzeugen, der Spieler kann auch genau wie in 'Rez' durch seine Aktionen die Musik beeinflussen. Zwar hat man hier weniger stark das Gefühl, tatsächlich einzugreifen, doch hin und wieder erwischt man sich doch dabei, mehr nach Rhythmus zu spielen denn nach grafischen Reizen. Auch das macht einen Teil des Spielerlebnisses aus.

paddleinnen paddleaußen


Neben (guten) Kopfhörern sollte jedoch noch ein weiteres Accessoire unbedingt Teil des Equipments sein, wenn man das Spiel völlig genießen will: Taitos Paddle-Controller, der in den GBA-Slot des Nintendo DS gesteckt wird und das Steuern des Spielerschiffes durch Drehen an dem Rädchen ermöglicht. Erschienen ist er ursprünglich als Bundle mit Arkanoid in Japan, ist dort aber auch einzeln zu erwerben. Bislang wird er nur von den beiden genannten Spielen unterstützt und wird auch offiziell nicht im Westen erscheinen. Das ist mehr als schade, denn wer die Vergleichsmöglichkeit hat zwischen der gängigen Steuerkreuzvariante und dem Paddle, dürfte höchstwahrscheinlich zu letzterem greifen. Nicht nur, dass man mit dem kleinen Rad die Geschwindigkeit der Links/ Rechtsbewegung genau kontrollieren kann und somit einen großen Vorteil gegenüber dem digitalen Kreuz hat, es macht auch einfach mehr Spaß da es ein ganz eigens Gefühl ist, auf diese überaus klassische Weise ein Spiel zu steuern. Ob das den finanziellen (und in meinem Fall zeitlichen) Mehraufwand wert ist, muss bei der noch geringen Unterstützung des Zubehörs natürlich jeder für sich entscheiden. Auch sind im Netz Stimmen zu finden, die sich eine genauere Einstellung der Steuerungs-empfindlichkeit sehnlichst wünschen. Ich persönlich empfinde das Zusammenspiel als hervorragend und würde den Unterschied in Sachen Spielspaß nahezu vergleichen mit dem Fall „Guitar Hero: mit/ohne Gitarrencontroller“.

Somit ist dieses Spiel für mich das Vorzeigewerk schlechthin, wenn es darum geht Oldies sinnvoll und zeitgemäß wiederzubeleben. Man hat die richtigen Elemente beibehalten, mittels Designanleihen und einem eigenen Grafikstil etwas vom Flair des Originals beibehalten und das Gameplay den heutigen Anforderungen an Komplexität angepasst. Neben dem interessanten Scoresystem bietet man außerdem freispielbare Extralevel und Online-Ranglisten (die leider keine Paddlenutzung gestatten). Doch was am allerwichtigsten ist: das Teil macht Spaß. Man sollte nur aufpassen, in welcher Umgebung man es spielt, da man mitunter alles um sich herum vergisst.

PS: Die PAL-Version ist auch schon draußen und kostet ca 30€ bei amazon, hier empfehle ich eher die US-Version für etwa 16€ bei bspw. play-asia zu bestellen. Die japanische Version liegt gerade bei etwa 19€ und ist abgesehen von der Anleitung auch komplett englisch, also eine ebenso gute Wahl. Das Paddle ohne Arkanoid gibt es im Moment leider nur bei superufo.com für etwa 13€ zzgl. Versand.

Sonntag, 22. Juni 2008

Jetzt mit 20% mehr Explosionen und Obst

Eigentlich sollte an dieser Stelle bereits vor ein paar Wochen der Test zu Space Invaders Extreme samt schnuckeligem Paddle-Controller online stehen, doch ein defektes Exemplar des letzteren gepaart mit einem wenig kooperativen Versandhändler aus Hong Kong machte meinem Double Feature zu den DS-Ballerspielen des Jahres einen Strich durch die Rechnung. So gibt es für's erste nur den neuesten Wahnwitz der japanischen 2D-Gurus Treasure zu begutachten, der ab August auch in Amerika sowie Europa erscheinen soll.

bangaio Spiel: Bangai-O Spirits (バンガイオー魂)

Konsole: Nintendo DS

Version: jap.

Erschienen: 2008

Genre: 2D Shoot em Up

Wertung: 9/10

Freunde des gepflegten Projektilhagels erinnern sich garantiert an Bangai-O, das um die Jahrtausendwende als limitierte N64-Auflage und deutlich bekanntere Dreamcast-Version zum absoluten Geheimtipp avancierte. Dafür sorgte neben der eigenartigen engrish-Übersetzung auch das over the top Gameplay, das einen Mini-Mecha, intelligentes Leveldesign und jede Menge Früchte in den Mittelpunkt stellte und so nur gewinnen konnte. Ihren Schwur keine Sequels zu produzieren haben die Entwickler Treasure nun zum zweiten Mal gebrochen, und was haben wir darauf nicht alle gewartet!

Ob man nun bei Spirits überhaupt von einer Fortsetzung sprechen kann, ist in den ersten Spielmomenten noch nicht einmal klar. Die bekloppten Dialoge von früher sind nun auf ein Minimum im Tutorium gestaucht, welches einen zugleich mit der neuen Spieltiefe erschlägt. Anders als im Klassiker habt ihr nun mehr als zwei Waffen und dürft zudem nicht mehr per Buttons direkt in acht Richtungen feuern. Stattdessen habt ihr nun eine Fern- und eine Nahkampfwaffe, die ihr vor jeder Stage auswählen dürft. Ebenfalls neu ist der Dash, mit dem ihr flinker unterwegs seid und Gegner praktisch überfahrt. Auch von der Konterattacke, dem Markenzeichen von Bangai-O, gibt es nun mehr als zwei Varianten. bangai01
Die Funktionsweise ist die selbe: Haltet ihr den L- oder R-Trigger, so bleibt der kleine Robo in der Luft stehen und lädt die Attacke auf. Wenn möglichst viele Projektile möglichst nah an ihm sind, lasst ihr den Trigger los und entfacht eine entsprechend große Gegenattacke. Die besiegten Gegner hinterlassen ihrerseits Früchte, mit denen ihr wiederum noch stärkere Gegenangriffe starten könnt. Im Spiel äußert sich das darin, dass das Bild mitunter für eine Sekunde einfriert und auch anschließend in Zeitlupe läuft, da der kleine DS gerade bis zu einhundert teils an Wänden reflektierende Schüsse nachrechnet. Das sieht nicht nur lustig aus, sondern erfreut, wie Explosionen generell, das männliche Spielerherz auch nach vielen Stunden immer wieder. Die gemäßigte und effektive Nutzung der Angriffsoptionen will aber definitiv gelernt sein und nicht zuletzt manche Gemeinheit in der Umgebungsgestaltung kann binnen Sekunden im Bildschirmtod resultieren. Bangai-O spielt sich nach wie vor schnell, knallhart und mittlweile noch kreativer.

bangai02 Das liegt sicher auch daran, dass man statt den 44 eher langen Stages des Vorgängers diesmal ganze 160 kürzere Stages serviert bekommt, in denen sich die Designer nun komplett ausleben konnten und zeigen, was man im Jahr 2008 mit den klassischen Elementen eines 2D-Actiontitels so basteln kann. Unter anderem kommt es da vor dass ihr ohne richtige Reaktion nach einer Sekunde das Game Over erblickt oder eure Gegner mit einem Berg Fußbällen eindeckt. Teilweise sind auch richtige Rätsel darunter gemischt. Wem das an Abwechslung und Umfang nicht reicht, der kann sich mit einem sehr intuitiven Editor direkt am Touchscreen selbst ein paar Level zusammenbasteln. Und auch hier geht man einen Schritt weiter.
Auf Wunsch wandelt der DS euer Werk in ein paar Sekunden Modemgebrummel um, das ihr mit einem Mikrofon aufnehmen und als MP3 ins Internet stellen könnt. Alle Witze die hierbei den Geräuschneger aus Police Academy involvieren wurden übrigens schon gemacht und sind daher nicht mehr zulässig.
Auf der offiziellen Seite gab es bereits einen Wettbewerb mit einigen beeindruckenden Levelentwürfen. Einfach die MP3 herunterladen und die Kopfhörer an das Mikrofon des DS halten; in weniger als 30 Sekunden ist die Stage auf der Spielecartridge gespeichert und ab sofort spielbar.

Bei derart viel Umfang und tiefem Gameplay stört es auch nicht mehr groß, dass man auf die Dialoge verzichten muss und der Sound nicht mehr als unauffälliges Beiwerk ist. Wer sich an die anfangs verwirrenden Möglichkeiten und die neue Steuerung gewöhnt hat, wird mit Spirits noch mehr Irrsinn erleben als mit dem wunderbaren Erstling, in dem es schon hieß: „The beautiful world of 2D! The tension is getting good! Three cheers for Bangai-O!“

Freitag, 29. Februar 2008

Obscure MD und Madou Monogatari

Seit zwei oder drei Jahren liebe ich nichts mehr an Retrospielen, als die Möglichkeit nach Schätzen zu graben: solchen Schätzen, die vor etlichen Jahren im fernen Japan das Licht der Welt erblickten und auf wundersame Weise heute den Weg zu Sammlern auf der ganzen Welt finden. Obskure Module, zu denen man im Internet mitunter kaum Feedback findet, sind dabei immer eine verlockende Gemeinheit. Zwar kosten sie im Gegensatz zu Nippon-only-Klassikern wie Twinkle Tale oder Battlemania ("wer verkauft sie mir für nen Fuffi?") meist nur wenige Euronen im landestypisch perfekt minten Zustand, dafür weiß man aber auch nicht wirklich was einen erwartet. Wie viele anzügliche Mah Jong Simulationen wohl schon wegen ihrer Cover ihr Heimatland verlassen durften, um dann selbst für einen einstelligen Preis ein Feuer der Enttäuschung zu entfachen? Es lockt aber die Möglichkeit, etwas zu finden was zu einem "eigenen" Spiel wird, von dessen Qualität oder gar Existenz nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe etwas weiß.

Vor einigen Wochen ersteigerte ich mir ein kleines Päckchen aus vier japanischen Spielen für mein geliebtes Mega Drive. Darunter neben Assault Suit Leynos (Schwierigkeitsgrad: unmenschlich?!), Shin Chan (noch ungespielt) und Fushigi No Umi No Nadia (*gäähn*) ein ziemlich günstiges Exemplar von Madou Monogatari I.

Madou Spiel: Madou Monogatari I (魔導物語I)

Konsole: Sega Mega Drive

Version: jap.

erschienen: 1996

Genre: RPG

Wertung: 7/10

Dass hier Qualität zu erwarten war, ließ mich schon der Firmenname hoffen: Compile versorgten das MD nicht nur mit dem genialen Shooter Musha Aleste, sondern auch mit dem wohl besten Knobler überhaupt, der Puyo Puyo Serie. Im Westen ist der schwächere Klon "Dr Robotniks Mean Bean Machine" zwar bekannter, doch erfunden und besser umgesetzt wurde das suchtgefährende Spielprinzip von Compile. Eine Besonderheit der Serie ist dabei, dass um's geschickte Bohnenkombinieren ein ganzes Universum mit eigenen Geschichten und irrwitzigen Charakteren gestrickt wurde. Nicht zuletzt daran dürfte es liegen, dass sich manch einer in die Spiele verliebt hat.

Ehe ich mich zu weiteren Recherchen aufmachte, ging ich davon aus, dass der Erfolg der Serie später Spinoffs im Rollenspielgenre nach sich zog. Tatsächlich liegt aber der Ursprung und somit auch die Erschaffung der Charaktere im dreiteiligen Madou Monogatari Rollenspiel, das als fünf Discs umfassendes Monster 1988 für das in Japan populäre Heimcomputersystem MSX erschien. Umsetzungen gab es reichlich für Segas weniger populären Game Gear, die PC Engine bekam auch einen Teil und schließlich wurde das Mega Drive mit Teil 1 bedacht. Außerdem gibt es noch weitere, deutlich anders gestaltete Madou Monogataris für das SNES und den Sega Saturn, um die Verwirrung komplett zu machen. Nicht schlecht find ich auch das Release vom MD-Ableger: 1996 erschienen, macht es den unscheinbaren Titel tatsächlich zum letzten offiziellen Mega Drive Spiel in Japan, nachdem die Konsole dort schließlich schon seit 1988 erhältlich war!

Man übernimmt, wie immer, die Rolle von Arle, einem Mädchen mit magischen Kräften. Ihre Magierprüfung hat sie allerdings noch nicht bestanden, und so wird sie mal eben in einen vielstöckigen Dungeon geschickt um dort mit dem Lösen von Aufgaben Punkte zu sammeln sowie nach circa drei Wochen das Sonnenlicht wieder sehen zu können (strenges Bildungssystem). Damit hat sich die Story auch eigentlich. Ihr durchquert keine Wälder, bummelt nicht in großen Städten und bleibt sowieso von jeglicher Komplexität eines Normalo-Rollenspiels verschont. Alles findet im Dungeon statt, dessen rote Backsteinwände sich euch in der Egoperspektive präsentieren. Items kaufen und verwenden könnt ihr zwar, doch groß in menüs rumklicken ist nicht möglich. Es gibt weder eine Anzeige eures momentanen Levels, geschweigedenn Statuswerte oder gar Gesundheitszustand: den könnt ihr an Arles Gesicht ablesen. Das ist erstmal sehr gewöhnungsbedürftig, vor allem weil ihr euch in Kämpfen komplett auf kurz eingeblendete Meldungen verlassen müsst. Zum Glück gibt es aber eine Karte, die auf Knopfdruck sofort aufploppt und in einem Ego-Standbild-Spiel verdammt hilfreich ist. madou screen1

madou screen2

Die Zufallskämpfe unterscheiden sich auch vom Genre-Einmaleins. Um Gegner anzugreifen haltet ihr die A-Taste und gebt anschließend mit dem Steuerkreuz eine Kombination ein, die dann den entsprechenden Zauberspruch ("Faiaa", "Hiiringu" oder "Aisu Stoomu", wakaru?) auslöst. Springen und verteidigen könnt ihr ebenfalls. Das ganze ist zwar äußerst simpel, geht aber auch ebenso flott und macht durchaus Spaß, zumal ihr relativ schnell hochleveln könnt und solltet zu Beginn.

Die Grafik ist dabei zwar Umgebungs-bedingt etwas eintönig, sonst aber Compile-typisch liebevoll gestaltet. Wie schon bei Puyo Puyo Tsu bekommt man natürlich auch viele Sprachsamples um die Ohren gehauen. Vor allem der Compile-Ruf vor dem Startscreen lässt den MD-Soundchip mal wieder zum Kultobjekt avancieren. Dreht lieber nicht zu laut auf! Wirklich bemängeln kann ich an dem Spiel dreierlei: 1) Wer nicht halbwegs fortgeschrittene Japanischkenntnisse hat, kann es eigentlich vergessen, da im Internet null Hilfestellung zu finden ist und man sonst keine Ahnung hätte, was zu tun ist. 2) Man weiß auch mit Sprachkenntnissen manchmal nicht, was zu tun ist. Das Verständnis von Spieldesign war damals halt ein anderes, und so bedarf es mitunter hoher Logikbegabung, des Rätsels Lösung zu finden. Dabei sollte schließlich 3) die Karte helfen, welche im Grunde auch echt gut gefällt. Nur ist sie unkomplett. Leitern, die Stockwerke verbinden fehlen darauf genauso wie Kennzeichnungen für Türen, die spezielle Schlüssel brauchen etc. Wer kein Superbrain hat, darf also ganz oldschool Karten auf dem karierten Block zeichnen.

Im Grunde ist das Spiel also umständlich, leicht monoton und in Sachen Durchspielen für mich aussichtslos. Aber was soll ich sagen? Ich finde es klasse! Die Anleitung ist auch wieder wunderbar gestaltet und da man ständig speichern kann, ist zumindest dem Frust über starke Gegner ein Riegel vorgeschoben. Der blinde Griff ins Obskuritäten-Regal kann sich also doch hin und wieder lohnen. Wer tatsächlich diesen ganzen Beitrag gelesen hat, darf sich dafür ein Puyo nehmen.
beans

Donnerstag, 1. November 2007

Früher war alles besser

Es dürfte kaum jemand widersprechen, wenn ich behaupte, dass 2D-Spiele optisch besser altern als die viel mehr an heutigen Standards gemessenen 3D-Spiele. Ihnen kommt nicht zuletzt eine eigene Ästhetik zu gute. Die kreativen Beschränkungen, die der technische Rahmen und die Perspektive mit sich bringen, wurden damals logischerweise als Hürde gesehen, die es Mitte der 90er mit dem Sprung in die dritte Dimension zu überwinden galt. Heute aber sind die Simplizität der Spielabläufe und die liebevoll handgezeichneten Grafiken gerade das, was bei aktuellen Erscheinungen von Retrospielern vermisst wird. 2d

Die alten Spiele sind greifbarer. Das fängt schon vor dem Spielen an: ein Modul gibt zum Anzufassen mehr her als eine CD. Um einen Level ganz zu erforschen, lotete man die Grenzen der Bewegungsfähigkeiten der Spielfigur aus und orientierte sich nach oben und unten, links und rechts. Zur schlimmsten Zeit der „Hauptsache 3D“ Ära suchte man hingegen in verschachtelten Komplexen nach Schaltern, die drei Kilometer weiter eine Tür öffneten, hinter der man einen Teil eines Artefakts finden konnte, welches einem bei Komplettierung auf physikalisch faszinierende Weise ermöglichen würde, die hohe Plattform abzusenken die man vor fünf Spielstunden mal passierte. Dazwischen zu Ihrer Unterhaltung: diverse Videosequenzen. Ich möchte die zunehmende Komplexität von Spielen nicht grundsätzlich verteufeln, da auch ich großen Spaß habe an einigen aktuelleren, episch ausgelegten Mammut-Titeln (und das beschriebene Teleskop-Task-Prinzip letztlich schon früher, in Serien wie the Legend of Zelda, entworfen wurde).

Die, verallgemeinernd gesprochen, einfacheren Abläufe älterer Spiele haben aber ihren eigenen Reiz, der sich bestimmt nicht nur auf persönlichen Erinnerungen oder „historischem“ Interesse begründet. Auch würde ich das Vergnügen einer Runde Super Mario Bros gegenüber einem Mario 64 nicht als minderwertig oder überholt bezeichnen, sondern eher als Alternative, die umso mehr an Bedeutung gewinnt, je größer der fühlbare Unterschied der Spielerlebnisse wird (bezogen auf den Fortschritt aktueller Spiele, ich meine damit nicht „back to Atari VCS!“).
Auch stilistisch scheint sich dieser Abstand zu vergrößern. Während man heute oft aus der Egoperspektive durch düstere Gänge schleicht, so hüpfte Sonic früher zu einem Ohrwurmsoundtrack durch die saftigen Gräser der Green Hill Zone unter strahlend blauem Himmel.
2d

Dass man auch heute noch 2D-Spiele durch Innovationen und geschickte Perspektivennutzung als 3D-Alternative entwickeln kann, zeigten selbst im neuen Jahrtausend Entwickler wie die leider aufgelösten Clover Studios („Viewtiful Joe“), Nintendo („Paper Mario“, inkl. thematisierter Flachheit dank Scherenschnittoptik!) oder Treasure („Ikaruga“). Nachdem also jahrelang die Limits der 3D-Grafiken erforscht wurden und aus dem Spielerlager nur zu gern nach Innovationen geschriehen wurde, waren es paradoxerweise die „veralteten“ 2D-Titel, die diesem Wunsch gerecht wurden.

So bleibt nur zu hoffen, dass die erwartungsgemäß beschränkten Verkaufszahlen in Zukunft nicht den Sargnagel für die flache Welt bedeuten. Interessant wird sicher die Enthüllung von Street Fighter 4, das mit der 2D vs 3D Entscheidung ein Zeichen setzen wird. Hoffnung erweckt auch ein erfreulicher Retrotrend: Anders lässt sich die Beliebtheit von „New Super Mario Bros“ auf dem Nintendo DS oder das ständig erweiterte Angebot an Retro-Downloads für die aktuellen Konsolen kaum erklären.

Aber das schöne an Retro ist ja: Soll die Zukunft doch bringen was ihr beliebt, die Vergangenheit breitet immer den warmen Mantel der Nostalgie aus.

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Zuletzt aktualisiert: 5. Sep, 12:45

Credits

content: Philipp Klueglein 2006-2013
Fonts used: Baskerville, Futura, 'Cardboarder' by kix, 'Frigate True Type Katakana 3D'

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