Top 10-Listen, wie ich sie liebe und hasse! Als Einkaufsinspiration und Diskussionsstoff sind sie toll, doch oft sind sie fragwürdig heterogen. Wie soll man eine Top 10 seiner Lieblings-Videospiele sinnvoll auswählen und ordnen? Wie ein 16 Bit-Rollenspiel vergleichen mit einem Shoot em Up der jüngsten Jahre und einem Rennspiel der PlayStation-Ära? Am Ende dieser Überlegungen stand für mich eine Top 10 ohne bestimmte Reihenfolge, bei der nicht nur der (ohnehin nicht quantifizierbare) Spielspaß ausschlaggebend war, sondern auch die Bedeutung des Titels in meinen bisher über 18 Jahren als Spieler. Zudem war ein Kriterium, dass ich das Spiel auch heute noch gerne spiele (oder zumindest Lust dazu hätte), so dass einige große Namen wie
GTA 3 außen vor blieben. Es ist also eine hochgradig subjektive Liste und keine Aufzählung der
best games ever oder dergleichen, auch wenn ich nebenbei versuche, die Spiele ein wenig in ihren jeweiligen Serienkontext und den Zeitgeist einzuordnen. Aber nun soll es losgehen mit den ersten fünf von mir ausgewählten Klassikern. Morgen folgt der Rest.
Sonic the Hedgehog 2
Sega Mega Drive
1992
Der zweite Teil der wohl bekanntesten Jump 'n Run Reihe nebst dem Konkurrenzklempner zählt zu den wenigen Spielen, die ich sowohl in meiner Kindheit als auch heute mit großer Begeisterung immer wieder durchspiele. Wo der erste Teil noch die bessere Bonus-Stage hatte und der dritte Teil eine Speicher-Option einführte, überzeugt mich Teil 2 als Gesamtpaket am meisten. Im Vergleich zum Vorgänger, wo man noch drei Level pro „Zone“ durchlief, bietet
Sonic 2 mit zwei Leveln pro Zone und einem flüssigeren Leveldesign wesentlich mehr Abwechslung und Dynamik. Der Schwierigkeitsgrad ist meines Erachtens genau richtig. Das Spiel fordert einen, aber ist mit ein wenig Übung gut zu meistern.
Zu den absoluten Highlights gehört für mich der Soundtrack, der einige der besten Kompositionen der 16-Bit-Ära vereint (ob ohne oder
mit Fresh Prince). Die Level sind wunderbar bunt und schön gestaltet, das Scrolling rasend schnell, die Steuerung absolut präzise und die Bonus Stage... naja, die ist ganz okay. Bei den Mario-Spielen mag man mehr Geheimnisse und Umfang finden, aber mehr Spaß hatte ich schon immer mit Sonic. Oft habe ich das Spiel in den letzten Jahren eingelegt, um nur mal wieder die ersten beiden Zones zu sehen und ihre Musik zu hören. Doch ehe ich mich versah war ich wieder in der Sky Fortress Zone und spielte bis zum Ende.
Shenmue
Sega Dreamcast
1999
Ja, ich gehöre auch zu den paar armen Seelen, die bei jeglichen neuen Gerüchten um einen dritten Teil der
Shenmue-Geschichte die fast verkümmerte Hoffnung wieder ein wenig aufleben lassen.
Shenmue war als eine lange Serie mit durchgängiger Story geplant. Zu seiner Zeit handelte es sich wohl um das ambitionierteste Projekt der Videospielgeschichte, mit einem bis dato nie gekannten Budget und leider nur zwei erschienenen Teilen. Bis heute dürfen sie als kontroverses Erlebnis gelten: für einige das beste Spiel aller Zeiten, für andere sterbenslangweilig. Gerade zu Beginn des ersten Teils ist das Spieltempo allzu gemächlich, man irrt als Ryo Hazuki durch die Straßen der japanischen Stadt Yokosuka und stellt Nachforschungen an über die Ermordung seines Vaters durch den mysteriösen Lan Di. Die flache Rachegeschichte dehnt sich jedoch bald aus und nimmt in Teil 2 eine Wendung in Fantasy-Gefilde, um dann in einem Cliffhanger zu enden.
Neben dem Sammeln von Informationen besteht das Gameplay noch aus Kampfeinlagen, die etwas an
Virtua Fighter erinnern, und freier Interaktion mit der Stadt. Dass der Freiheitsgrad und die Größe der Stadt aus heutiger Sicht winzig sind, stört dabei kaum. Dafür sind die Straßen herrlich detailliert und jeder Passant hat eine Synchronstimme – für die damalige Zeit ein unerhörtes Maß an Atmosphäre, das auch heute noch begeistern kann. Es gehört wirklich zu jenen Spielen, die einen voll in ihre Welt ziehen. Und so zog und zieht noch so mancher Spieler immer wieder vor Weihnachten den ersten Teil von
Shenmue aus dem Regal, freut sich wenn es mal wieder schneit (das Spiel hat eine eigene Wetter-Engine, die auf realen Wetterdaten der Stadt basiert!), fährt zum drölften Mal den Gabelstapler durch den Hafen und legt eine neue Sammlung von Gashapon-Figuren an. Shenmue war ein seltsamer Hybrid aus Märchen und Realismus und bleibt bis heute einzigartig, auch wenn Segas
Yakuza-Reihe die grundsätzliche Gameplay-Mischung übernahm. Für Shenmue allein lohnt der Besitz einer Dreamcast!
Mother 2
Nintendo Super Famicom
1994
Obwohl ich
Mother 2 (in Amerika als
Earthbound erschienen) gerade erst durchgespielt habe, wollte ich es unbedingt auf der Liste haben. Und zwar stellvertretend für Teil 2 und 3. Mein letzter Durchgang von
Mother 3 ist schon wieder drei Jahre her und ich habe ein kurzes Gedächtnis, daher kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, welcher Teil mir nun mehr gefallen hat. Beide sind ganz fantastisch. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, was für großartige Ergebnisse es hervorbringen kann, wenn man Leute an Spielen arbeiten lässt, die sonst in zig anderen Bereichen kreativ sind. Shigesato Itoi, Mastermind der Serie, ist nebenbei noch Autor, Schauspieler/Synchronsprecher und überhaupt Medienmann für alle Zwecke. Und siehe da, die
Mother-Spiele sind ungewöhnlich, haben viel schrägen Humor, rühren ohne Pathos, überraschen am laufenden Band und sind wunderbar flüssig spielbar. Gut,
Mother 2 zwingt einen hin und wieder zum Aufleveln und auch den Game Over Bildschirm habe ich öfter gesehen als in jedem anderen RPG. Aber dann wiederum werden Kämpfe gegen schwächere Gegner einfach sofort als gewonnen gewertet, ohne eure Zeit zu verschwenden; und ein Game Over ist völlig verschmerzbar wenn man (vorausschauendes Handeln vorausgesetzt) so gut wie nichts dabei verliert.
In vielen Rollenspielen grast man Dungeons ab auf der Suche nach diesem Artefakt oder jenem Geist, in
Mother 2 besucht man acht für den Hauptcharakter bedeutsame Orte und nimmt ihre Melodien auf. Das Spiel steckt voller leiser Poesie und irren Einfällen und man wünscht sich, Itoi gäbe anderen Spieledesignern etwas von seiner Kreativität ab. Jedem, der vom drölften Rollenspiel mit dem immer gleichen Setting, den immer gleichen Plot-Elementen und austauschbarem Soundtrack gelangweilt ist, dem kann ich nichts wärmer empfehlen als
Mother 2 und
3.
Gradius V
Sony PlayStation 2
2004
Vielleicht nicht einmal das beste Shoot em Up, das ich bisher gespielt habe, aber sicher eines der besten:
Gradius V. Nach Jahren der dreidimensionalen Spielekost war mir dank der Umsetzung von
Final Fantasy VI auf die PlayStation mal wieder nach guter, alter 2D-Action zu mute. Nachdem ich bereits
Metal Slug X (ebenfalls auf PlayStation) bis zum Limit meines Könnens gespielt hatte, schrieb ich die unlängst erschienenen PS2-Versionen von
Metal Slug 3 und
Gradius V auf meinen Wunschzettel. Eine verdammt gute Wahl! Beide Spiele sorgten dank 2-Spieler-Modus für etliche Stunden Spaß, doch vor allem die Punktejagd in
Gradius zog mich auch allein noch monatelang vor den Bildschirm und brachte so das Shoot em Up in mein Leben: heute neben japanischen Rollenspielen eines meiner absoluten Lieblingsgenres. Zudem bewegten mich die Spiele dazu, mir über die nächsten Jahre eine kleine Sammlung von Retrokonsolen zuzulegen.
Obwohl
Gradius natürlich eine bekannte Marke von Konami ist, wurde dieser Teil keinen Geringeren als den 2D-Helden schlechthin überlassen, dem Studio Treasure. Diese legten mit dem fünften Teil ein unglaublich schick präsentiertes und noch dazu hervorragend spielbares Ballerspiel erster Güte hin. Wie ich später bei meinen ersten Erfahrungen mit den anderen Teilen auf der
Gradius Collection (PSP) feststellen sollte, hatte Treasure vor allem an der Fairness ordentlich gefeilt. Wo einige der älteren Teile selbst gestandene Zocker in den Wahnsinn treiben können mit ihrem Motto „Mach einen Fehler und du kannst von vorn anfangen“, lässt Teil V einem viel mehr Chancen dank Verzicht auf Rücksetzpunkte (das Spiel geht direkt weiter an der selben Stelle) und wieder einsammelbaren Upgrades (die wertvollen „Multiples“ oder auch „Options“, die einem früher schlicht weggenommen wurden). Mit steigender Spielzeit erhält man zudem zusätzliche Continues, bis hin zu unendlichen Versuchen. Zwar wird auch Teil V in den letzten Levels richtig hart, jedoch bleibt er der mit Abstand am besten spielbare Vertreter der Serie.
Street Fighter III Third Strike
Sega Dreamcast
2000
Die vielen Inkarnationen von
Street Fighter II gehören sicher zu den beliebtesten Beat em Ups überhaupt.
Third Strike, das finale Update der IIIer Serie hingegen, stand seit jeher in der Gunst einer eher kleinen Gruppe aus kompetitiven Genrefanatikern. Während mich das allerorts gehypte Tekken schon immer langweilte, war die Subkultur der 2D-Prügler vom ersten Kontakt an faszinierend. Schuld an diesem Kontakt war
Guilty Gear X2 auf der PS2, das mit seinem Anime-Look, schnell-bunt-lautem Spielgeschehen und nicht zuletzt einer Veröffentlichung in Europa meine Einstiegsdroge wurde. Doch das beliebteste Turnierspiel schien eben
Third Strike zu sein. Dieses war allerdings für die PS2 nur in Japan erschienen, während die Dreamcast auch in Europa bedient wurde und sich zudem leichter zu Importen überreden lässt. Grund genug, eine Dreamcast anzuschaffen mitsamt zwei Arcadesticks, um auch wie die Profis zocken zu können! Letztendlich bin ich nie zu einem Turnier gefahren. Aber es hat gewaltig Laune gemacht, dank des Arcadesticks endlich präzise Hadoukens auszuführen und nicht mehr ständig Blasen am linken Daumen zu haben.
Besonders toll an
Third Strike ist das Feature, gegnerische Attacken nicht nur zu blocken, sondern mit einer Millisekunden-genauen Eingabe auch komplett parieren zu können. Unvergessen natürlich das
bekannte Video, in dem der japanische Profi Daigo einen kompletten Special während eines Turniers pariert! Das Spiel ist komplex genug, um lange zu fesseln, aber einfach genug in seiner Mechanik, um Einsteiger nicht komplett abzuschrecken. Für Letzteres sorgte wohl eher das Kämpferfeld, das nur vier bekannte Charaktere aus der II-Serie beibehielt (Ryu, Ken, Chun Li, Akuma/Gouki) und sonst so manch freakigen neuen Kämpfer einführte, der die Spielergemeinde spaltete. Ich persönlich habe sie fast alle lieb gewonnen. Dieses Spiel lehrte mich ein für allemal, dass 2D Prügler nichts mit Buttonmashing zu tun haben, sondern tief gehende Spielsysteme darstellen, in die man sich mühsam einarbeiten muss. Ist man aber mal drin und hat einen menschlichen Trainingspartner, werden sie zu einem unvergesslichen Zeitfresser. Ganz nebenbei war das Spiel mein erster Japan-Import, was heute für mich schon eher Standard als Ausnahme ist.
sutereo - 20. Mär, 16:58