Eine Zugfahrt die ist lustig, eine Zugfahrt...
![]() |
Spiel: Densha De Go! 2 Kousoku-hen 3000 bandai (電車でGO! 高速編3000番台) Konsole: Sega Dreamcast Version: jap. Erschienen: 1999 Genre: Lokführer – Simulation Wertung: 7/10 |
Wer sich ein bisschen mit der Welt der japanischen Videospiele beschäftigt hat, wird schnell festgestellt haben, dass Japaner ein paar recht speziellen Genres verfallen zu sein scheinen. Auf der einen Seite die milliardenfach vertretenen Dating Sim Games, bei denen man als männlicher Protagonist meist einen Harem von Mädchen kennenlernt, ihre mit Erdbeeren bedruckten Höschen erspäht und am Ende die 16-jährige mit den größten Brüsten heiratet. Überspitzt gesagt. Da gibt es auch durchaus sehr schön designte, stimmungsvolle und vergleichsweise anspruchsvolle Sachen (Air und Kanon sollen ganz toll sein). Aber im Grunde hat der durchschnittliche Westler, dessen Japanischkenntnisse über ein falsch betontes "Arigatou" nicht hinausreichen, nur wenig davon. Dating-Sims bestehen schließlich nur aus Standbildern, teils auch animierten Filmchen, und Textwüsten.
Ursprünglich kommt die Serie tatsächlich aus der Spielhalle, wo man in seinem Führerhäuschen an den Hebeln sitzt: Einer zum beschleunigen, einer zum bremsen. Viel mehr kann man mit einem Zug ja auch nicht machen. Einen entsprechenden Controller gibt (oder gab) es für zahlungswillige Verrückte auch zu erwerben, doch an den durfte ich meine schmutzigen Griffel noch nicht legen ;). Mit schnödem Dreamcast-Pad setze ich mich also an die Version meiner Wahl, 'Densha de Go 2 Kousoku-hen 3000 bandai' und navigiere durch die erstaunlich verständlichen Menüs. Der erste Kontakt Mensch - Maschine geht leider trotzdem nicht zu meinen Gunsten aus, da ich ohne Blick in die Anleitung nicht verstehe, wie ich aus dem Bahnhof komme. Beschleunigt wird nämlich per Steuerkreuz, mit dem ihr die fünf Gänge des Zuges einlegen könnt! Viel länger brauche ich, bis ich endlich die Bremse finde und somit nicht mehr am Zielbahnhof vorbeirauschen muss.
Bei dem so simpel erscheinenden Spielprinzip sollte man aber zwei Dinge nicht denken:
- dass es keinen Spaß machen würde und
- dass das ja viel zu einfach wäre.
Denn das Leben als japanischer Lokführer ist kein Ponyhof. Ständig ärgern euch vorübergehende Geschwindigkeitsbegrenzungen, bei denen ihr ohne Streckenkenntnis meist schon verloren seid. Noch lustiger: Auch wenn ihr an einem Bahnhof ( = Checkpoint) nur durchfahren müsst, so sollt ihr das gefälligst auf die Sekunde genau tun. Wer zu schnell fährt, wird gerne mal mit ein paar gelben Ampelsignalen ausgebremst. Wer zu langsam war, kriegt sekundenweise einen Betrag von seinem wertvollen Fehlerpunktekonto abgezogen, was bei widerholten Schandtaten zum Exitus führt. So ein System stelle ich mir seither immer wieder für die deutsche Bahn vor...
Am tollsten ist es da, wenn ihr in einem Streckenabschnitt mit strenger Geschwindigkeitsbegrenzung zu schnell seid. Die sonst eher zurückhaltenden Japaner verstehen da nämlich keinen Spaß und ziehen konsequent die Notbremse. Wenn man selbst mal dran ist mit Bremsen wird es noch komplizierter, denn so eine punktgenaue Bremsung innerhalb einer fünf Meter langen Zone will gelernt sein. Hier liegt dann auch der Spaß in einem Konzept wie dem von Densha De Go: Obwohl es vermessen wäre von einer wirklich realitätsgetreuen Simulation zu sprechen, so müsst ihr doch kontinuierlich euer Handwerk lernen, bis ihr endlich GTO seid - Great Train Operator! Oder so ähnlich jedenfalls.
Damit euch beim Spielen nicht das Gefühl überkommt, tatsächlich vor einer Dreamcast zu sitzen, hat sich Taito Mühe gegeben das Spiel möglichst ärmlich aussehen zu lassen. Die Grafik ist auf konstantem Playstation - Niveau und erstaunt mit teils hüpfender Bildrate, jämmerlichen Wettereffekten und faden Aussichten. Gut möglich, dass die japanischen Landschaften nicht an den modernen ARD-Klassiker 'Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands' heranreichen können. Von solchen Pixelbäumen wie sie hier wachsen bekommt trotzdem jeder Botaniker wahrlich viereckige Augen. Wohl um den Simulationscharakter zu wahren gibt es zudem nur in den Menüs die begehrte Fahrstuhlmusik. Während der Fahrt lauscht ihr dem Rattern eures Zuges, japanischen Durchsagen und den noch nützlicheren japanischen Tipps eures Manga-guides.
Da ihr eine ganze Weile brauchen werdet um des Zuges Herr zu werden, sollte der Umfang ausreichend lange unterhalten. Es gibt eine ganze Reihe von Strecken und Zügen zu entdecken und als Belohnung zum Schluss sogar den ersten Zug mit eigenem Musikvideo. Außerdem ist das Spiel immer für eine Runde zwischendurch gut, wenn man sich nach dem hypnotischen Gameplay sehnt oder seinen Freunden zeigen will, was man jetzt schon wieder für einen „Mist“ aus Nippon angeschleppt hat. Die Sprachbarriere ist auch sehr niedrig, im Hauptmenü gibt’s sogar englische Titel. Und wie ihr aus dem Bahnhof kommt, wisst ihr ja jetzt.
Leider ist das Spiel, im Gegensatz zum hierzulande schon längst Kult gewordenen 'Tokyo Bus Guide', sehr selten zu finden. Ich habe bei genkivideogames.com immerhin 15£ löhnen müssen für ein Exemplar ohne Spinecard, so be prepared!
sutereo - 29. Aug, 14:16